Quo Vadis Reallabor? Brücken bauen, Routinen etablieren

12. Januar 2022

Aus unzähligen Laborgesprächen, drei internen Workshops, aus den Erfahrungen der letzten Jahre und aus dem Feedback der bisher durchgeführten Maßnahmen im Rahmen der Laborarbeit hat das Team des Reallabors weitere Umsetzungschritte eingeleitet.

Warum, Wie, Was?

Zielscheibe mit drei Ebenen. In der Mitte "Warum?", 2. Ebene "Wie?", äußere Ebene "Was?"

Zielscheibe der Visions- und Missionsfindung

Ohne die berühmte goldene Zielscheibe explizit aufzuzeichnen, haben wir uns natürlich im Vorfled überlegt, was uns motiviert und welche Ziele wir verfolgen. Das wichtigste „Warum“ in unserem Labor ist die Überzeugung, dass Offenheit ein wichtiger Aspekt des Verwaltungshandelns ist, und dass mithilfe der Informationstechnologien und offenen Daten kommunale Verwaltungen ihre Offenheit und die Zusammenarbeit mit der Bürgerschaft stärken können. So ist das „Wie“ in unserem Fall auf die Werkzeuge rund um Daten und ihre Nutzung fokussiert, aber auch auf die Kommunikation zwischen verschiedensten Akteuren. Wir wollen zunächst verstehen, was die Akteure ihrerseits motiviert, und sie danach mit geeigneten Mitteln bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Das „Wie“ ist insbesondere auch durch Grundsätze der Offenheit bei unserer Arbeit geprägt. Alle Meinungen sind wichtig, alle die etwas beitragen wollen, sind willkommen. „Was“ wir konkret machen, hängt schließlich davon ab, welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen, wie die aktuellen Bedingungen sind und welche Partner:innen wir für die Zusammenarbeit gewinnen können.

Perspektive wechseln

Mindestens zwei Persektiven betrachten wir gezielt separat, auch wenn unsere Zielgruppe viele weitere Kategorien von regionalen Akteuren enthält. Einerseits ist bereits aus der kommunalen Anbindung des Förderprogramms die Sicht der Verwaltungsmitarbeitenden interessant. Die Menschen in Verantwortungsposition haben dabei evtl. andere Vorstellungen als Kolleg:innen auf der ausführenden Ebene. Beide Seiten wollen wir berücksichtigen. Außerdem wollen wir Kolleg:innen in der Region unter sich und mit Akteuren außerhalb von Verwaltungen vernetzen.
Auf der anderen Seite steht eine viel größere Zielgruppe: die Zivilgesellschaft. Dazu gehören genauso einzelne interessierte Bürger:innen wie Unternehmen und Vereine. Die einzige Bedingung ist der Wunsch, die lokale und regionale Gesellschaft konstruktiv mitzugestalten.

Weitere Betrachtungsweisen sind z.B. die Gegenüberstellung von Meinungen von Expert:innen und Laien, langfristige Interessen der Akteure, die Sicht der Konsumierenden vs. Sicht der Produzierenden, kommerzielle Interessen vs. öffentlichem Nutzen.

Transparent und reflektiert arbeiten

Erkenntnisse aus allen Maßnahmen werden intern gebündelt, aufgearbeitet und zur weiteren Verwendung öffentlich zur Verfügung gestellt. Auch gegenüber dem größeren Netzwerk der Open Government Labore berichten wir regelmäßig über unsere Erfolge sowie Schwierigkeiten. Wir müssen es wagen, überflüssige Scheu und Scham abzulegen und offen für Kritik zu sein. Unsere eigenen Grenzen im Blick zu haben ist dabei ebenso wichtig wie offen zu kommunizieren und agil zu arbeiten. Zu bewältigende Interessenskonflikte gehören genauso dazu wie unerwartete und belebende Synergien. Experimentierfreude, Risikobereitschaft und eine hohe Flexibilität sind im Kontext des Förderprogramms explizit erwünscht.

Zu den Pflichten im Rahmen der Netzwerkarbeit gehörte auch die Erstellung von Wirkungslogiken, die wir separat für Verwaltung und Zivilgesellschaft erarbeitet haben. Darin werden die beabsichtigten Wirkungen auf die Zielgruppen systematisch erfasst. Auf dieser Grundlage können wir regelmäßig reflektieren und im Nachhinein überprüfen, inwiefern das Labor seine Wirkungsziele insgesamt erreicht hat.

Langfristig denken

Aus den bisher gesammelten Ansätzen und Ideen wurden einige aufgegriffen, andere verworfen oder mangels Ressourcen zunächst auf Eis gelegt. Ein wichtiges Anliegen ist uns, eine gewisse Vielfalt von Herangehensweisen an das Thema Offene Daten zu testen. Auch kurzfristig spannende Vorhaben sind interessant, wie z.B. die verschiedenen Umfragen oder die Interdisziplinären Projekte mit Studierenden der Hochschule Rhein-Waal. Dennoch haben wir bei den Planungen auch stets die langfristige Vision im Blick und stellen uns regelmäßig die Frage: „Wie geht es weiter, wenn das Laborprojekt beendet ist?“

Auf Basis von „Offene Daten für Alle“-Workshops, die eher auf Laien ausgerichtet sind, werden weiterführende Angebote erarbeitet, die Interessierten den Umgang mit Daten näherbringen und sie mit Spezialist:innen vernetzen.

Die themenfokussierten runden Tische (Roundtables) sind ein weiteres Vertiefungsformat, bei dem nur durch Regelmäßigkeit ein Nutzen zu erwarten ist. Hier wird die Domainkenntnis und das Engagement von Partner:innen in der Zivilgesellschaft und Verwaltung weiteres Vorgehen und seine Nachhaltigkeit mitbestimmen. Ein Erfolg sind diese Roundtables dann, wenn sie in Zukunft von verschiedenen Akteuren außerhalb des Reallabors gemeinsam fortgeführt und zur regelmäßigen Routine werden.

In den Wirkungskreisen der einzelnen Laborakteure wird die Arbeit im Open Government Bereich selbstverständlich auch fortgeführt, sei es in den Kommunen, an der Hochschule oder in der Community. Das Netzwerk in der Region wird sicherlich noch weitere spannende Vorhaben hervorbringen. Das Reallabor selbst könnte ebenfalls als eine informelle Institution bestehen bleiben, sich selbst formell konstituieren oder sich einer bestehenden Institution anschließen.

Brücken bauen

Selbst die Laborarbeit an sich besteht zu einem großen Teil aus der Verbindung der beteiligten Institutionen, die auch in Zukunft verbunden bleiben sollen. Neue Partnerschaften werden ebenfalls gesucht, Akteure systematisch integriert. Diese Brücken, wie alle Interaktionen in der Gesellschaft, haben jeweils eine organisatorische, eine technische und auch eine menschliche Komponente. Der Mehrwert der Netzwerke besteht im Kennenlernen und dem regelmäßigen Austausch zwischen Personen, was langfristig zum besseren Verständnis und größerer Offenheit bei der Zusammenarbeit von Institutionen führen kann. Der Aufwand der Aufrechterhaltung dieser Verbindungen kann mit technisch-organisatorischen Mitteln erheblich reduziert werden. Eine gemeinsames System zur Termin-, Aufgaben- und Dateiverwaltung ist auch eine Art Brücke.

Die zwei explizit benannten Zielgruppen der Laborarbeit sind die Verwaltung und die Zivilgesellschaft. Wie Brücken zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgerschaft aussehen können, sehen wir bei diversen Projekten innerhalb und außerhalb der Region. Ein rein virtuelles Netzwerk ist dabei eine Variante mit dem geringsten Mitteleinsatz, aber auch der geringsten Verbindlichkeit. Regelmäßige Angebote seitens der Stadt oder des Labors sind zwar ein Signal der Offenheit und eine Einladung, aber die Motivation, einer solchen Einladung zu folgen, ist ungewiss. So hat das Labor im Herbst mehrere Angebote an die Zivilgesellschaft in Moers gemacht, aber die Reaktionen darauf waren sehr überschaubar. Auch wenn die als temporärer Notzustand angesehene Pandemie aktuell die Anzahl und den Charakter öffentlicher Aktivitäten stark beeinflusst, müssen wir hier die „lesson learned“ mitnehmen, denn die wirtschaftlichen und die sozialen Auswirkungen der Pandemie können auch in Zukunft die aktive Teilnahme an Mitwirkungs-Angeboten behindern.

Physische Begegnungs – und Kollaborationsorte, wenn sie zielgruppengerecht gestaltet und von der Zielgruppe mitgestaltbar sind, können zu einer höheren Identifikation mit dem Ort und der Region beitragen und unerwartete Synergien erzeugen, bringen aber einen wesentlichen höheren Einrichtungs- und Betriebsaufwand mit sich. Im Rahmen des Labors Niederrhein kommt eine Neueinrichtung eines solchen Ortes nicht in Frage, da wir an drei Orten wirken wollen und sehr begrenzte Ressourcen haben. Dennoch bestehen bereits gute Kollaborationen, z.B. mit der VHS in Moers, die für Experimente des Labors einen physischen Raum bieten kann. Andere Bildungseinrichtungen wie Hochschulen oder Schulen sind bestehende Orte mit ihren eigenen sozialen Räumen und Strukturen, an die wir bereits anknüpfen. Jugendzentren können ebenfalls gute Partner sein, wenn das Angebot sich an Kinder und Jugendliche richtet. Wir sind dennoch noch weiter auf der Suche nach lokalen Partnerinstitutionen, die sowohl physische Orte bereitstellen als auch ihre eigenen Themen beitragen können.

Experimentieren und recyceln

Neue Wege gehen heißt für uns nicht unbedingt das Rad neu zu erfinden. Eine Innovation muss stets zu den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Zielgruppe passen. Wir setzen daher auf eine Kombination aus innovativen Formaten und etablierten Mitteln. Sieben Fliegen mit einer Klatsche erschlagen zu wollen wäre zwar aus der Ressourcensicht effizient, könnte bei einer Zielgruppe mit unterschiedlichen Vorlieben aber ein fataler Fehler sein. Wir werden es nicht allen recht machen können. Wir können allerdings den ersten Input leisten und unsererseits zugängliche, freie und offene Werkzeuge vorschlagen, damit die weitere Kollaboration möglichst offen erfolgen kann.

Nach wie vor gilt: Bei der Zusammenarbeit lernen wir ständig dazu, voneinander und miteinander.

Aktuelle Projekte

Zwei „Open Data für Alle“-Workshops, die im September im Onlineformat angeboten wurden, fanden in der Bevölkerung kaum Zuspruch und mussten abgesagt werden. In diesem Fall hat die breite Ansprache über Lokal-Zeitschriften und Social Media wenig zusätzliches Interesse erzeugt. Das Angebot der Workshops wird nach Möglichkeit wieder aufgegriffen, wenn Präsenzveranstaltungen wieder zumutbar und attraktiv sind. Die ersten zwei runden Tische in Moers zu den Themen Bevölkerung und Wahlen sowie Umweltsensorik konnten ebenfalls noch nicht viele Interessierten in der Zivilgesellschaft mobilisieren, allerdings haben sich die Teilnehmenden eines Workshops zum gleichen Thema beim Hackday in Moers auch mit Daten befasst. Einer Einladung in die breite Öffentlichkeit hinein wird bei den nächsten Angeboten eine behutsame und gezielte Ansprache und stärkere Fokussierung auf Multiplikator:innen bevorzugt.

Von den drei vorgeschlagenen interdisziplinären Projekten an der Hochschule Rhein-Waal hat sich eins gegen die Konkurrenz durchsetzen können: die Entwicklung einer App auf Basis von offenen Daten. Das Team entwickelt nun unter Beratung der kommunalen Laborakteure ein umfassendes Konzept einer Regional-App, sowie ein MVP (App mit ausgewählten wenigen Funktionen). Die Entwicklung erfolgt unter Einbeziehung der potenziellen Nutzenden: Der gewünschte Funktionsumfang der App wird z.B. mithilfe einer Umfrage ermittelt.

Eine weitere App-Idee wird ebenfalls an der Hochschule verfolgt. Hier sollen Visualisierung und Gamification eine Rolle spielen.

Auf Basis der Umfrage, die das Labor im Frühjahr 2021 durchgeführt hat, wurde im Sommer eine Bachelorarbeit angefertigt.
Als Pendant zu der quantitativen Umfrage werden in den nächsten Monaten qualitative Expert:innen- und Laien-Interviews geführt, um den verschiedenen systemischen oder individuellen Hemmnissen für die Bereitstellung und die Nutzung von offenen Daten auf die Spur zu kommen.

Die Perspektive der Nutzung wurde auch in einer qualitativen Erhebung in der aktiven Open-Data-Community betrachtet. Dabei wurde versucht, systematisch Erfolgsfaktoren und Ursachen des Scheiterns von Anwendungen aus Basis von offenen Daten herauszuarbeiten. Erkenntnisse aus dieser Erhebung werden in Kürze hier veröffentlicht.

Weitere Ideen sind in noch in Entwicklung, auch werden die aktuellen Ereignisse intensiv reflektiert. Wir justieren also unseren Kompass regelmäßig neu und suchen den bestmöglichen Weg, unsere Ziele zu erreichen. Es bleibt abzuwarten, wohin uns dieser Weg noch führt.

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